Hausbesitzer sollen nachzahlen – Damoklesschwert der Beitragsnacherhebung schwebt über „der Bodeniederung“
So war es in den letzten Wochen in der lokalen Presse zu lesen. Der Wasser- und Abwasserzweckverband „Bode-Wipper“ (WAZV) geht davon aus, dass noch rund 4.350 Beitragsbescheide mit einem Gesamtumfang von ca. 11.4 Millionen Euro bis zum 31.12.2015 verschickt werden müssen.
Am Abend des 08.08.2014 fand beim WAZV eine Beratung auf Initiative der Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden Herrn Zok, Herrn Stöhr, Herrn Kosche, sowie des Verbandes statt. Neben der Lokalpresse, dem Landtagsabgeordneten Herrn Rotter (CDU) waren auch Vertreter der Bürgerinitiative „Bezahlbares Abwasser“ anwesend. In konstruktiver Atmosphäre und sachlicher Diskussion hat der WAZV über die bevorstehende Beitragserhebung im Gebiet 2 informiert. Aber wie kam es dazu?
Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (OVG) hat mit Urteil vom 11.09.2012 – 4L 48/12 entschieden, dass die Beitragssatzung des AZV „Bodeniederung“ (AZV) aus dem Jahr 1995 die erste wirksame Abgabensatzung war. Gegen das Urteil wurde keine Revision eingelegt, „der Sack war zu“. In einem weiteren Urteil vom 11.04.2013 – 9A 158/11 hat sich das Verwaltungsgericht Magdeburg (VG) erneut mit der Satzung beschäftigen müssen. Im Ergebnis wurde auch die Beitragssatzung aus dem Jahr 1995 gekippt, sodass der AZV nie eine wirksame Beitragssatzung hatte. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Argumente des VG, die zum Kippen der Satzung geführt haben, auch beim OVG greifen.
Nach aktueller Rechtslage entsteht die sachliche Beitragspflicht erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Abgabensatzung (vorliegend 2013). Damit wäre der Verband gesetzlich verpflichtet, eine Veranlagung in v.g. Umfang vorzunehmen.Dem entgegen steht jedoch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) aus dem März 2013, nachdem eine zeitlich unbefristete Erhebung nach Entstehen der Vorteilslage nicht zulässig ist.
Daher muss der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt das Kommunalabgabengesetz (KAG) ändern und eine Verjährungshöchstfrist für Beiträge einführen. In den letzten Wochen verdichten sich die Anzeichen, dass diese entgegen öffentlicher Bekundungen in der Presse zwar 10 Jahre betragen soll, jedoch erst am 31.12.2015 endet. Somit wäre der „Sack“ noch lange nicht zu. Neben den Grundstückseigentümern, die noch keinen Beitrag bezahlt haben, würden auch solche herangezogen werden, die vor 15-20 Jahren bereits einen Beitrag entrichtet haben, weil die damalige Satzung von fehlerhafter durchschnittlicher Grundstücksgröße und unzulässiger Kappung geprägt war.
Als Verbandsgeschäftsführer sehe ich es als meine Pflicht, die Grundstückseigentümer über anstehende Probleme umfassend zu informieren. Die Änderung des KAG soll im September/Oktober 2014 erfolgen.
Mir ist bewusst, dass diese Situation dem Bürger nicht zu erklären ist, jedoch ist der Verband verpflichtet, sich an die Gesetze zu halten, die vom Land beschlossen werden. Mir ist auch bewusst, dass eine Nacherhebung zu tief greifenden finanziellen Einschnitten bei Kommunen, Wirtschaft und privaten Haushalten führen wird und die Bürgerinnen und Bürger des Gebietes 2 das hart erarbeitet Vertrauen in den Verband, was seit 2011 langsam erwachsen ist, komplett verlieren.
Daher darf ich bereits schon jetzt versichern, dass der WAZV alles Mögliche unternehmen wird, um größtmögliche Rechtssicherheit zu haben, bevor im Fall der Fälle der erste Beitragsbescheid das Haus verlässt. So lasse ich zurzeit in einem sog. Normenkontrollverfahren beim OVG prüfen, ob die Beitragssatzung 2013 tatsächlich Rechtsgrundlage sein kann, oder ob nicht doch die Satzung 1995 Bestand hat. Mit einem Ergebnis ist frühestens in 1-2 Monaten zu rechnen.
Letztendlich stellt sich die Frage, warum bereits jetzt so konkrete Zahlen bekannt sind und warum in ca. 350 Verfahren rund 2,8 Millionen Euro noch nicht erhoben worden sind. Nach Bekanntwerden der Urteile 2012/2013 musste der WAZV die Beitragsveranlagung des AZV aufarbeiten, um den etwaigen Beitragsausfall zu beziffern. Solche Ausfälle durften nicht in die Gebühr kalkuliert werden und wären als nicht gebührenfähiger Aufwand als Umlage zu tragen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass die in der Presse dargestellte Tabelle einen gewissen Bearbeitungsstand hat, und entsprechende geringfügige Abweichungen durchaus möglich sind.
Die noch nicht veranlagten Grundstücke resultieren einerseits aus den Verfahren, die der AZV „Bodeniederung“ aufgrund des Urteils des OVG 2012 aufgehoben und zurück gezahlt hat. Zudem zählen zu diesen Verfahren auch Fälle, die nach damaligem Rechtsstand wegen Verjährung hätten nicht mehr erhoben werden dürfen, nach jetziger Rechtslage aber veranlagt werden müssen.
Über den Fortgang werde ich in geeigneter Weise informieren.
Andreas Beyer
Verbandsgeschäftsführer